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Simone Kern:

Mein Garten summt! Ein Platz für Bienen, Schmetterlinge und Hummeln

Schlecht geht es ihnen, sehr schlecht: unseren Insekten. Seien es Schmetterlinge, Hummeln, Wild- und Honigbienen oder Käfer und Co. – ein Großteil der Arten ist in ihrem Bestand gefährdet. Unter Tagfaltern sind es 80 Prozent, bei den 561 Arten heimischer Wildbienen mehr als 50 Prozent; bedroht sind Hummeln, von deren gut 50 Arten ein Drittel auf der Roten Liste steht, und Laufkäfer, die ganz spezielle Lebensräume und Lebensbedingungen brauchen.

Sogar unseren symbolischen Glücksbringern, Marienkäfern, droht von ihren eingewanderten asiatischen Verwandten Ungemach durch Verdrängung. Um so wichtiger sind Bücher, die informieren, aufklären, motivieren und vielerlei Anregungen geben – wie Simone Kerns sehr empfehlenswerte Neuerscheinung »Mein Garten summt! Ein Platz für Bienen, Schmetterlinge und Hummeln«.

Freilich kann das, was zwischen zwei Buchdeckel passt, ebenso wenig wie Blühstreifen an Maisfeldern oder vereinzelte Wildgärten zwischen auf- und ausgeräumten Hausgärten wettmachen, was ursächlich hinter dem alarmierenden Artenrückgang steht: die großräumige und flächendeckende Zerstörung natürlicher Lebensräume, Ökosysteme und Biotope, die Folgeschäden durch Pestizideinsatz u.ä. und die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Aber jede einzelne Initiative, jedes noch so kleine Biotop-Puzzleteilchen ist wertvoll, sinnvoll und positiv für die Insektenwelt in unserer unmittelbaren Umgebung. Die Autorin macht Mut, wenn sie schreibt: »Damit sich Bienen, Hummeln und Schmetterlinge wohlfühlen, ist nicht viel nötig – eine naturbelassene Gartenecke, heimische Pflanzen und Unterschlupfmöglichkeiten sind die ersten Schritte«.

Simone Kern schafft es, ein großes, wichtiges Thema interessant und leicht verständlich aufzubereiten. Am Anfang stehen die Sachinformation, ein bisschen Theorie und die Vermittlung essentiellen Grundlagenwissens. Im Einstiegskapitel »Natur zulassen – auch in der Stadt« verliert sie sich nicht in Details, sondern zeigt die großen Zusammenhänge auf. Sie versteht es, in weniger als zehn Seiten komplexe Wechselbeziehungen und Entwicklungen aufs Wesentliche verkürzt und am anschaulichen Beispiel nachvollziehbar zu machen. So streift sie unter dem Stichwort »aneinander gekettet« den Aspekt der Nahrungskette und beschreibt die elementare Rolle der Insekten vom Bestäuber, als Nahrung für Insektenfresser bis zum Aasfresser, um zu resümieren: »Fällt das Insekt, zum Beispiel durch starken Pestizideinsatz, als Glied dieser Verkettungen aus, werden die nachfolgenden Kettenglieder wie Vögel ein Nahrungsdefizit haben und sind in ihrer Entwicklung massiv gestört«. Mit ihren Basisinformationen liefert sie einleuchtende Argumente, sich auch im Kleinen zu engagieren und motiviert, selbst aktiv zu werden. Wie, das beschreibt sie in den folgenden Kapiteln praxisnah, kenntnis- und ideenreich.

Nach dieser Einführung entwickelt sich der reichlich bebilderte Band zum Praxisbuch und Nachschlagewerk. Die studierte Landschaftsarchitektin und Expertin für naturnahe Hausgärten bietet ihrer Leserschaft eine Fülle von Anregungen, angefangen bei alternativen Vorschlägen für Fensterbank und Balkon – mediterrane Kräuter, Minze und insektenfreundliche Blühmischungen anstelle von vorwiegend dekorativen Petunien, Geranien und Fuchsien – bis hin zu Dachbegrünungen und die Anlage von Bauerngärten. Besonders wertvoll wird das Buch durch seine eingestreuten Kästen und Tabellen, denen man auf einen Blick entnehmen kann, welche Pflanzen zusammenpassen, was besonders insektenfreundlich ist, welche Erde unterschiedliche Stauden brauchen, welche Insekten von welchen Pflanzen angelockt werden, welche Bäume und Sträucher besonders gehaltvolle Bienenweiden sind und wann sie blühen.

Für Otto Normalgärtner mit Vorliebe für Englischen Rasen und Exotisches, mit Nagelschere getrimmte Buchsbaumkugeln und nackte braune Erde mögen manche Empfehlungen eine wahre Zumutung sein. Etwa umzudenken und zum Einstieg in die insektenfreundliche Gärtnerei einfach mal nichts zu tun: »Versuchen wir die Welt durch die Augen eines Käfers zu betrachten und uns in seine Lebensweise hineinzufühlen«, lädt Simone Kern ein. »Schnell merken wir, dass ein kurz gemähter Rasen, das Entfernen abgestorbener Pflanzenpartien und das Absammeln des Herbstlaubs genau das ist, was den Tieren schadet«. Dieses Plädoyer, Natur Natur sein zu lassen, spricht allen aus dem Herzen, die nicht nur etwas für Insekten, sondern auch für Vögel und Igel tun wollen! So ermutigt die Autorin, Kompost- und Asthaufen anzulegen, Holz und Laub als Lebensgrundlagen und Unterschlupf Raum im Garten zu geben: »Ein guter Insektengarten mag in manchen Ecken auf den ersten Blick ein wenig ‚unaufgeräumt’ wirken. Wenn wir die Sichtweise auf unsere Umwelt ändern, werden wir auch den Wert dieser kleinen ‚Unorte’ erkennen«.

Die Autorin holt ihre Leserinnen und Leser dort ab, wo sie sind, zeigt ihnen zum Beispiel anhand einer tabellarischen Übersicht auf, wie man vorhandene Strukturen und Elemente insektenfreundlich(er) nutzen oder verändern kann. Neben vielem anderen widmet sie sich den Grundregeln des Gärtnerns, stellt verschiedene Arten von Nisthilfen vor und hilft dem Neuling mit jahreszeitlichen Checklisten der anstehenden Gartenarbeiten auf die Sprünge. Das Buch schließt mit Serviceseiten und einer Art Insektenführer en miniature; hier porträtiert die Autorin die am meisten verbreiteten Insekten und ihre Pflanzen in Text und Bild.

Ein wunderschönes, gut gemachtes Buch, gehaltvoll und übersichtlich gegliedert, das Lust macht, vor der eigenen Haustür, auf dem Balkon, im heimischen Garten, wo auch immer aktiv zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der gewünschte Erfolg einstellt, ist es doch für viele der Protagonisten dieses Buchs – Bienen, Schmetterlinge, Hummeln – bald schon fünf vor Zwölf. Es ist an der Zeit umzudenken und zu handeln! Eine bessere Anleitung dazu als das Buch von Simone Kern kann man lange suchen.

Kosmos Verlag Stuttgart 2017, 128 Seiten, ISBN 978-3-440-15270-6.

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