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Klaus Richarz:

Natur erleben rund ums Haus

Eigentlich muss man nur die Tür öffnen, wenn man einen Balkon oder sogar einen Garten sein eigen nennt, und schon kann man dort draußen im Freien »Natur entdecken rund ums Haus« – so auch der Titel eines wunderschönen Buchs von Klaus Richarz. Der Autor leitet die Staatliche Vogelschutzwarte in Frankfurt; sein Buch wird aus gutem Grund vom NABU empfohlen.

Getreu dem Motto »Man schützt nur, was man kennt« entführt Richarz seine Leserschaft auf eine nach Jahreszeiten gegliederte Entdeckungsreise und öffnet ihnen die Augen für ein etwas anderes, oft wenig beachtetes faszinierendes Umfeld, das Lebensraum für unzählige kleine und größere Arten sein oder werden kann. Er stellt Tiere vor, die im eigenen Garten, im nahen Park, in angrenzenden Feldern oder auf Wiesen und in Wäldern leben. Auf sehr liebevolle Weise porträtiert er seine Protagonisten von Florfliege, Ohrwurm und Gabelschwanzraupe über Iltis, Eichhörnchen und Fledermaus bis hin zu Wintergoldhähnchen, Specht und Sperber – natürlich sind auch die nachtaktiven Stachelritter mit vertreten.

Die zahlreichen Informationen über Lebensweise, Eigenheiten, Ansprüche an Behausung und Nahrung sind mit zauberhaften Fotos illustriert. Da lugt ein Mäuschen neugierig aus einem Loch, zwei Stare tun sich gütlich an einem verschrumpelten Apfel, ein Laubfrosch hangelt elegant an einem Stängel, ein Grünfink badet hingebungsvoll in einem wassergefüllten Blumeuntersetzer, ein riesiger Starenschwarm verdunkelt wolkenartig die Luft über einem herbstlichen Gewässer.

Das Buch macht Lust auf eine Safari in eine Welt, die durch menschliche Einflüsse in vielerlei Hinsicht bedroht ist oder zu verschwinden droht. Dabei versteht sich der Autor nicht als verbissener Mahner für einen sensibleren Umgang mit der Natur – er trägt eher indirekt durch seine oft überraschenden und spannenden Informationen dazu bei, bewusster durch die Landschaft zu gehen und zu erahnen, wie komplex die Zusammenhänge sind. Wenn er schreibt, dass Blüten in Gärten und Wiesen echte Treffpunkte für Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Co. sind, dann regt das im besten Fall dazu an, darüber nachzudenken, wann und wo man zuletzt eine bunte, wilde Blumenwiese gesehen hat. Wer das Buch aufmerksam studiert, entdeckt auch, wo und wie Wichtiges unwiederbringlich verloren gehen kann. Viel zu wenigen ist zum Beispiel bewusst, wie schlecht es heute um die Feldhamster bestellt ist, die früher als Ernteschädlinge und wegen ihres begehrten weichen Fells verfolgt und getötet wurden. Natürlich ist Sammeltrieb dieser liebenswerten Tierchen sprichwörtlich und begeistert nicht jeden – Feldhamster legen in ihrem Bau bis zu 65 kg Vorrat an, verrät der Autor. Was er nicht verrät: in den vergangenen fünf Jahrzehnten ist der eifrige kleine Kerl in Mitteleuropa so selten geworden, dass er auf allen Gefährdungslisten erscheint.

Gerade weil Richarz Lebensräume und Arten so vorstellt, wie wir sie gern (weiterhin) um uns hätten und beobachten möchten, wenn wir sie erst einmal kennen gelernt haben, ist dies ein rundum schönes und positives Buch, das vielleicht retten hilft. Zum Beispiel Igel, denen ganze drei Seiten in diesem Buch gewidmet sind. Aber auf diesen wenigen Seiten steht auch alles wirklich Wesentliche; die nur neun Zeilen zur Frage, was zu tun ist, wenn man einen hilfsbedürftigen Igel entdeckt, sind gehaltvoller als entsprechende, viel ausführlichere Passagen in manch anderem Naturführer.

Kosmos Verlag Stuttgart 2013, 24 Seiten, ISBN 978-3-440-13513-6.

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