Die scheinbar Unscheinbaren

Kunibert der StolzeBourkesittiche (Neopsephotus bourkii) sind äußerst liebenswerte, friedliche und verträgliche Sittiche, kaum größer als Wellensittiche, mit denen man sie problemlos halten kann. In Zoohandlungen werden sie - glücklicherweise - nur pärchenweise verkauft, und sie werden auch dort nur selten angeboten, denn sie gelten zu unrecht als etwas langweilig. Auf diese Idee kann eigentlich nur kommen, wer einen Bourkesittich an einem einzeln gehaltenen Wellensittich misst.

Bourkesittiche sprechen nicht, sie kommen nicht zum Menschen, um gekrault zu werden, und sie schwätzen und brabbeln nicht den ganzen Tag vor sich hin. Sie haben eher das Temperament von Papageien, wirken recht gelassen und werden auch zahm. Bourkesittiche eignen sich aber noch weniger als Wellensittiche als Partnerersatz, denn abgesehen davon, dass Einzelhaltung grundsätzlich nicht artgemäß und Tierquälerei ist, ist das Reizvolle an der Haltung dieser Sittiche, die Vögel im Umgang mit Artgenossen zu beobachten.

Bourkesittiche sind dämmerungsaktive Vögel, die viel Bewegung brauchen, einen typischen wellenförmigen, schnellen Flug haben und die gerne und ausdauernd auf dem Boden herumspazieren. Ihre ursprünglich dunklen Flügeldecken schützen die Vögel in ihrer australischen Heimat vor Fressfeinden von oben. Bei wildfarbenen Bourkesittiche haben die Federn der Flügeldecken isabellfarbene Säume, die Zügel und Augenumgebung sind weiß. Die männlichen Tiere haben eine blaue Stirn und blaue Bäckchen, außerdem sind die Unterflügeldecken blau. Beide Geschlechter haben, unterschiedlich stark ausgeprägt, einen rosafarbenen Bauch. Wie beim Wellensittich gibt es unterschiedlichste Mutationen und Farbspielarten, vom blau-rosa-gescheckten über rosa- und lachsfarbene bis hin zu gelben oder cremefarbenen Tieren. Die Stimme des Bourkesittichs ist niemals wirklich durchdringend, sondern meistens angenehm und leise - es sei denn, ein Vogel sucht seinen Partner oder ein Hahn möchte einer Henne mit seinem Gesangsrepertoire imponieren. Aber auch dann wird der Gesang nie schrill oder nervend, sondern erinnert an das etwas reduzierte Repertoire einer Amsel und ist sehr melodiös.

Das Balzgehabe des Bourkesittichhahns ist faszinierend zu beobachten. Um sich zu produzieren, fliegt der Vogel zunächst einmal auf einen höher gelegenen Platz und zeigt bei seiner Landung für ein, zwei Sekunden die blaue Innenseite seiner Flügeldecken. Anschließend macht er einen tiefen Diener, richtet sich gewissermaßen ins Hohlkreuz auf und zeigt die Innenseiten wieder. Das ganze wird von verschiedenen Lautfolgen und kurzen Gesängen begleitet. Spielt man einem Bourkesittichhahn seinen eigenen Gesang vor oder pfeift eine ähnliche Tonfolge, wird er sofort anfangen, dagegen anzubalzen und zu zeigen, dass er der Größte, Schönste und Beste beim Singen ist.

Ich halte erst seit 1997 Bourkesittiche und habe aufgrund leidvoller Erfahrungen und der Schilderungen eines Züchters den Verdacht, dass Bourkesittiche empfindlichere Vögel sind als zum Beispiel Wellensittiche. Mein erstes Weibchen ist mit zwei Jahren an Legenot eingegangen, ein Problem, das besonders bei jüngeren Tieren häufiger beobachtet wird. Das nächste Weibchen starb nach einem halben Jahr Kränkeln mit anderthalb Jahren an einer mysteriösen Krankheit, wahrscheinlich einer bakteriellen Nervenentzündung.

Glück im Unglück, dass der zweimal verwitwete Hahn sich völlig unproblematisch bei der Vorstellung einer neuen Gefährtin gibt - nach zwei Tagen begann er bereits sein neues Mädel zu füttern. Entdeckt wurde der Bourke- oder Rosenbauchsittich 1835 in Südaustralien und nach dem damaligen Gouverneur von Neusüdwales, Sir Richard Bourke, benannt. Der nomadenhaft herumziehende Edelpapagei lebt in seiner Heimat in öden trockenen Steppengebieten und galt zeitweise schon als ausgestorben, wurde 1958 sogar in die Liste der ausgestorbenen und aussterbenden Vögel aufgenommen. Der drastische Bestandsrückgang hing u.a. mit anhaltenden Dürreperioden zusammen. Den Dürrekatastrophen fielen auch Millionen Schafe zum Opfer, die zuvor weite Gebiete Westaustraliens in Wüsten verwandelt und so den Lebensraum der Vögel vernichtet hatten. Da die Schafzucht heute mit kleineren Herden betrieben wird, bleibt für Bourkesittich und Co. genug Lebensraum und Nahrung, so dass sich die Bestände erholen konnten. Die zutraulichen Vögel tun sich heute nicht nur an den Brunnen der Farmer gütlich, sondern auch in den Gärten der Ortschaften.

Als Zimmer- oder Volierenvogel ist das Tier verhältnismäßig anspruchslos und unkompliziert. Anders als Wellensittiche benagt er kein Holz, eine Voliere kann auch mit lebenden Pflanzen besetzt sein. Als Futter eignet sich eine gute Agaporniden-Futtermischung; es sollten möglichst Glanzsaat, Hirse, Mohar, etwas Mohn, Niger und Leinsamen enthalten sein; Sonnenblumenkerne und Sesamsaat sind besondere Spezialitäten, die allerdings in Maßen angeboten werden sollte, weil beides sehr fetthaltig ist. Zusätzlich sollten Vogelmiere, Apfel, Eissalat, diverse Kräuter und geriebene Mohrrübe angeboten werden.

Bourkesittiche baden übrigens für ihr Leben gern - allerdings nur in ganz frischem, kalten Wasser, das sich in einer flachen Schale befindet - sie teilen nicht die Vorliebe der Wellensittiche für ausgiebige Salatblattbäder.

Einen Eintrag zu Bourkesittichen gibt es in Patrick Engers Vogellexikon.

Ausführliche und persönliche Informationen zu Bourkesittichen mit Tipps zu Ernährung, Haltung und vielem anderen hat Nadja Welz zusammengetragen.

Interessante Seiten zu Sittichen und Papageien hat René Kohl zusammengestellt.